Wie der digitale Fluch zum Segen werden kann!

Seit zehn Jahren bin ich in der Rekrutierung tätig und glaube behaupten zu dürfen, dass wir als eine der ersten Branchen von der Digitalisierung betroffen waren. Die Digitalisierung begann schleichend und kaum wahrnehmbar. Seit zwei Jahren hat das Tempo der Veränderungen ein enormes Ausmass angenommen. Heute stelle ich die Prognose, dass generell nur diejenigen überleben werden, welche über enorme Agilität verfügen, um sich laufend der sich verändernden Symbiose zwischen der digitalen und der realen Welt anpassen zu können.

VOM PRINTINSERAT ALS ANNONCE ZUM DIGITALISIERTEN MATCHING

Vor circa 20 bis 25 Jahren wurden die ersten Stelleninserate als «Bilder» so nebenbei auch in den elektronischen Medien geschaltet. Vor rund 15 Jahren wurden die ersten Inserate durch die diversen Jobbörsen veröffentlicht, und der Kandidat konnte diese mittels Stichwortsuche finden (Datenbanksuche). Vom Prinzip her war dies nicht mehr als eine elektronisch aufbereitete Printinsertion, und ein Kandidat musste die Inserate immer noch bewusst und aktiv suchen. Heute sind praktisch alle professionell geschalteten Inserate mit künstlicher Intelligenz und Matching-Algorithmen hinterlegt, und es spielt fast keine Rolle mehr, ob ein Kandidat aktiv oder passiv nach einer neuen Herausforderung sucht. Die Inserate suchen sich die Empfänger aufgrund hochkomplexer Algorithmen und werden ihnen als Pop-up- Fenster vorgeschlagen oder mit einem Mailroboter zugestellt. Ein Nebeneffekt dieser Entwicklung ist, dass abgesehen davon, dass die digitalisierten Insertionen sehr teuer geworden sind, der Recruiter ein riesiges, aktualisiertes Know-how braucht, um mit dieser Methodik effizient und effektiv Erfolg zu haben. Ansonsten sind die Streuverluste riesig und rechtfertigen die hohen Kosten nicht. Für mich als Rekrutierungsexperten bedeutet dies, dass ich mich laufend weiterbilden muss, um in dieser Thematik am Ball bleiben zu können.

FRÜHER SUCHTE DER KANDIDAT – HEUTE WILL ER GEFUNDEN WERDEN

Das Verhalten der Kandidaten hat sich ebenfalls grundlegend verändert. Früher kaufte ein Stellensuchender die regionale oder nationale Printausgabe eines Stellenanzeigers oder schaute regelmässig im Stellenteil seiner Branchenzeitschrift nach. Heute wissen die meisten kaum, wie sie sich die beste Übersicht u?ber den Stellenmarkt verschaffen können, oder sie hoffen, dass man sie schon finden wird, wenn man sie finden sollte. Ob der Zeitpunkt dann für beide der richtige ist, sei dahingestellt. Mittlerweile besitzen viele Leute ein Jobprofil auf einer professionellen Jobplattform wie LinkedIn, Xing, Experteer, Alpha usw., aber diese Profile sind meistens zu wenig aussagekräftig. Meine Aufgabe ist es, zu verstehen, wie sich das digitale Verhalten der Kandidaten in den virtuellen Netzwerken verändert. Die Kandidaten müssen erkennen, dass sie in mir eine Vertrauensperson gefunden haben, die sie mit der notwendigen Transparenz und zugleich mit höchster Diskretion durch den digitalen Dschungel begleitet und ihnen in ihrer beruflichen Entwicklung zum richtigen Zeitpunkt zur Seite steht.

IST DIE DIGITALISIERUNG NUN FLUCH ODER SEGEN?

Das vorgängig Gesagte lässt darauf schliessen, dass die Digitalisierung einen grossen zusätzlichen Aufwand mit sich bringt. Zudem könnte man zur Auffassung gelangen, es brauche für gewisse Stellen keine Rekrutierungsspezialisten mehr.

NUTZEN SIE DIE KÜNSTLICHE INTELLIGENZ ZU IHREN GUNSTEN – UND WERDEN SIE NACH WIE VOR IMMER BESSER!

Für mich ist die Digitalisierung in meiner Branche ein Segen, denn es wird vielen nicht gelingen, mit den idealisierten Vorstellungen der künstlichen Intelligenz umzugehen. An der Schnittstelle von Mensch zu Mensch (von Arbeitnehmer zu Arbeitgeber) braucht es auch zukünftig einen weiteren Menschen, der die sich immer mehr zur Symbiose verwischenden Grenzen zwischen Realität und Virtualität verstehen und interpretieren kann.

Ich wünsche Ihnen bei Ihrer eigenen digitalen Symbiose viel Erfolg!